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Donnerstag, 26.12.2024

Radikale Subjektivität gegen den gesamten herrschenden Dreck

Vor 35 Jahren kam Sigrud Debus während eines Hungerstreiks der Gefangenen aus der Guerilla und des Widerstands im Hamburger Gefängnis ums Leben.
Er starb nicht am Hunger, sondern an der Gewalt der Zwangsernährung.

Aus diesem Anlass veröffentlichen wir erneut einen Text, der zuletzt in der Libertad!-Zeitung "So oder So" Nr. 6 im März 2000 erschien.

Wir weisen auch insbesondere auf einen auch dort veröffentlichten Brief von Sigurd Debus hin, - Sigurd Debus: Über Subjektivität (aus einem Brief vom 19.7.1980).

So Oder So Nr.6 /März 2000

Sigurd Debus starb 1981 im Hungerstreik
Radikale Subjektivität gegen den gesamten herrschenden Dreck

24. Mai 1972 in Hamburg. Das HamburgerAktionsZentrum (HAZ) hatte zur Demonstration gegen den Krieg in Vietnam aufgerufen. Die Demonstration geht durch die Stadt. In Hamburgs Einkaufsmeile Mönkebergstraße fliegen Steine gegen die Filiale der Springer-Zeitung "Hamburger Abendblatt". In der ersten Reihe und mit seinen fast zwei Metern alle überragend: Sigurd Debus. Später bekam er einen Prozeß deswegen. Ein leichtes Spiel für die Politische Polizei. Sigurd Debus war einfach zu groß, um unerkannt zu bleiben.

Sigurd Debus - ein militanter Straßenkämpfer? Das auch. Ein Parteikommunist, manchmal ein Stalinist, meistens ein undogmatischer Maoist; ein Organisator in der linksradikalen Bewegung in Hamburg in den 70er Jahren. Dann ein Guerilla und Bankräuber, ein bewaffneter Partisan. 1981 starb er im Hungerstreik.

1980 und 1981 durchzog eine Aufstandsbewegung die westeuropäischen Großstädte. Von Rom bis Amsterdam. Von Zürich nach Berlin. Von Brixton nach Kopenhagen. In diesem Frühjahr und Sommer 1981 kämpften auch revolutionäre Gefangene in mehreren westeuropäischen Ländern mit Revolten und Hungerstreiks gegen zerstörerische Haftbedingungen und Kriminalisierung. In diesen Hungerstreiks für politische und soziale Rechte, Zusammenlegung und Politischen Status wurden 12 Gefangene ermordet.

Bobby Sands, Francis Hughes, Raymond McCresh, Joe McDonnell, Patsy O'Hara, Kieran Doherty, Kevin Lynch, Martin Hurson, Thomas McElwee und Mickey Devine im von den Briten besetzten Nordirland, Crespo "Kepa" Gallende in Spanien und Sigurd Debus in Deutschland.

Diese brutale Konfrontation, der Verlust so vieler Genossen war eine harte Probe für die revolutionäre Bewegung in Westeuropa. Vom 2. Februar 1981, als Gefangene aus Guerilla und Widerstand in der BRD ihren Hungerstreik aufnahmen - bis in den August hinein, als die irischen Gefangenen ihren Streik abbrachen, entwickelten sich die Gefangenenkämpfe zu einem der Bezugspunkte für Mobilisierungen und gemeinsame Kämpfe in Westeuropa. In ihnen existierte, wenn auch nur vorübergehend das Verständnis einer Einheit von unten, der kämpfenden Organisationen und Menschen gegen die Einheit der HERRschenden.
Ein Faden, an den radikale Bewegungen immer wieder anknüpfen müssen.

Sigurd Debus war Ende Februar 1974 bei einem Banküberfall in Hamburg verhaftet worden.

Seit Mitte 1973 lebte und organisierte sich Sigurd in der Illegalität. Später wurde er in Hamburg wegen Aufbau einer Guerillagruppe, Banküberfällen, Waffenbesitz, einem versuchten Sprengstoffanschlag auf die Verfassungsschutzzentrale in Hamburg und einem Bombenanschlag auf das "Haus der Industrie" (dem Sitz des "Bundesverbandes der Deutschen Industrie") in Köln zu 12 Jahren Knast verurteilt.

Das Ende seiner Haft erlebte Sigurd Debus nicht. Er starb am 11.April 1981 während des Hungerstreiks. Aber nicht durch den Hungerstreik, sondern weil er von willfährigen Ärzten und Knastschließern zu Tode behandelt wurde. Sein Tod wurde aber erst nach Tagen, am 16. April 1981 bekanntgegeben.

Das ist die offizielle Geschichte. Die "andere" Seite der Geschichte ist nicht so kurz. Sie ist vielfältiger und spannender, auch weil in ihr die Geschichte der Auseinandersetzung und Entwicklung revolutionärer Politik seit Mitte der 60er Jahre verwoben ist. Ein paar Momente sind hier benannt, aber längst nicht genügende um Sigurd in seiner ganzen Persönlichkeit zu würdigen.
Vielleicht werden Parallelen zur heutigen Situation erkennbar; objektiv gibt es sie natürlich nicht...

Mit was für einem Satz könnte Sigurd charakterisiert werden? Etwa: Bescheidenheit - und: der politische Weg von Sigurd war durch die unermüdliche Suche nach politischen und praktischen Initiativen für den Aufbau einer revolutionären Bewegung in Westdeutschland gekennzeichnet. Das klingt geschraubt, auch wenn es zutrifft.

Als Angestellter einer Ölfirma bekam er Mitte der 60er Jahre Kontakt zu Kommunist/innen. Er wird selbst Kommunist. Schon vor dem Ausbruch der später "Studentenbewegung" genannten gesellschaftlichen Revolte war Sigurd Debus politisch im Umfeld der verbotenen KPD aktiv. Beschleunigt durch die studentische und antiimperialistische Bewegung der 60er schloß er sich 1969 der neugegründeten KPD/ML in Hamburg an. Überzeugt war er nicht. Er sah nicht die Voraussetzungen für den Aufbau einer revolutionären Partei und kritisierte die Gründung als vorschnell. Er spottete viel über den Versuch die neue Bewegung in eine Klamotte der Weimarer KPD zu zwängen. Gleichzeitig sah er in dem Auflösungsprozeß der spontanen Strukturen der 67/68er-Revolte noch keine Alternative einer verbindlichen Organisation. So übernahm er auch Funktionen in der Partei und der "Roten Garde" in Hamburg, der Jugendorganisation der Partei.

Aber schon bald verdichtete Sigurd seine Kritik an der KPD/ML. Für ihn war die Kulturrevolution in China und die internationalistische Politik der "Einkreisung der Städte durch die Dörfer" Vorbild. Die chinesische Kulturrevolution stand, bevor sie sich gegen das Volk wandte, für den Versuch die Bürokratisierung und Institutionalisierung der Revolution von unten her immer wieder aufzubrechen. Auch daraus warf Sigurd der KPD/ML Dogmatismus, unkritisches Verhältnis zu den sozialistischen Ländern, innere Erstarrung, falsche Analysen über die Klassenverhältnisse in der BRD und Verbalradikalität vor. Eine Kritik, die sich in den 70er Jahren immer mehr bewahrheitete und für alle Parteigründungen der ML-Bewegung galt.
1970 brach Sigurd mit der KPD/ML, gründete mit anderen Genoss/innen eine Abspaltung mit kleinem /ml, die er aber auch bald wieder verließ.

Jetzt kritisierte Sigurd die ganzen Parteigründunqen als falschen Schritt. Sie entwickelten die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg und die 68er Revolte nicht weiter. Vielmehr wurde sie gespalten und versucht sie in das Korsett nationalbornierter und legalistischer Parteipolitik zu zwängen. Mit anderen maoistischen Genoss/innen schloß er sich im "Marxistisch-Leninistischen Zentrum" zusammen und schrieb für deren Zeitung "Der Funke". Sigurd verstand das MLZ nicht als Partei, sondern eher als ein Sammelbecken - und bemühte sich um einheitliche und gemeinsame Aktionen der linksrevolutionären Kräfte in Hamburg. Für Sigurd und andere Genoss/innen wurde es in dieser Zeit immer wichtiger den Tendenzen zur Sektenbildung und des Rückzugs in der Linken entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit sah er darin, an die direkten Aktionsformen der Revolte, ihrer Militanz und ihren Internationalismus wieder anzuknüpfen und das zugleich weiterzuentwicklen. Alles stand schon unter dem Einfluß der Diskussion um den bewaffneten Kampf, den die RAF als strategische Perspektive auf die Tagesordnung gesetzt hatte.

Das führte im Herbst 1971 zur Bildung des "Hamburger AktionsZentrum" HAZ. In ihm waren das MLZ, revolutionäre Anarchisten (RAH) und unorganisierte Genoss/innen zusammengeschlossen.
Aus dem HAZ wurden Demos organisiert, massenhaft die ersten RAF-Zeitungen nachgedruckt und verteilt, eine Schwarzfahrkampagne initiiert, Hausbesetzungen für Jugendzentren unterstützt. Im September 1971 wurde nach einer großanlegten Fahndungsaktion Petra Schelm in Hamburg-Altona erschossen. Ein Schock, der auch Sigurd erfaßte, ihn aber entschlossener werden ließen. Groteske Züge nahm die Paranoia und Verleumdung der RAF durch Sigurds ehemalige maoistischen Genoss/innen an. Der Kreis der Aktivist/innen auf der Straße wurde immer kleiner und die Polizei schlug immer härter zu. Nach der Erschießung von Thomas Weißbecker in Augsburg und der Verhaftung von Manfred Grasshof in Hamburg, wobei er schwer verletzt wurde, gab es in Hamburg am 7.3.72 wieder die erste militante Demo seit zwei Jahren. Am 1. Mai 1972 führte das HAZ eine erste Demo zum Knast in der Holstenglacis, um dort den Genossen Werner Hoppe und alle anderen Gefangenen zu unterstützen. Die Demo wurde vor dem Knast sowohl von den Bullen wie von den Ordnern des KB ("Arbeiterkampf") angegriffen - eine Art Zweifrontenkrieg, wie ihn das HAZ x-mal erlebte.
Die Diskussion um militanten revolutionären Kampf und internationalistische Politik, die Auseinandersetzung um die Ansätze von Guerillapolitik von RAF und Bewegung 2. Juni wurden im HAZ immer eindeutiger und Sigurd hatte großen Anteil daran.

Als im Mai 1972 die USA den Bombenterror auf Vietnam vervielfachten war es eine entscheidende Frage, wie sich die revolutionäre Linke in der BRD verhalten wird. Die RAF griff die US-Army Headquarters in Frankfurt und Heidelberg an; auch in Hamburg versuchten Genoss/innen aus dem HAZ-Spektrum militant zu intervenieren. Das "Amerikahaus" der USA war zweimal das Ziel von Attacken. Einmal brannte die Bibliothek durch einen eingeschmuggelten Brandsatz aus; ein anderes Mal griffen Genoss/innen das Gebäude mit Steinen und Mollis an.

Außerdem versuchte das HAZ am 24. Mai eine Demo durchzuführen. Aber es sollte sich zeigen, daß die antiimperialistische Linke im Parteiaufbau verkommen war. Es gelang nur 3-400 Genoss/innen zu mobilisieren, während Vietnam in die Steinzeit zurück gebombt werden sollte - so das Motto des damaligen US-Generals Westmoreland. Die ML-Bewegung und die "undogmatische Linke" (die späteren Spontis) blieb zu Hause; sie hatte sich praktisch von den revolutionären Zielen verabschiedet, auch wenn es noch Jahre dauerte bis sich diese beiden "Linien" in DIE GRÜNEN auflösten. Den Bullen gelang es die Demo zu zerschlagen.

Aus diesen Erfahrungen und nach der Verhaftung des Großteils der RAF im Juni 1972 stellten sich viele Fragen neu und schärfer. Auch für Sigurd. Er versuchte diese Diskussion im MLZ und im HAZ zu forcieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Sigurd aber schon entschieden: Die Zerschlagung der RAF sollte und durfte nicht der Endpunkt über diesen ersten Versuch des organisierten bewaffneten Kampfes in der BRD werden. Mit anderen Genoss/innen ging er daran den Aufbau einer Guerilla vorzubereiten: Organisierung einer illegalen Struktur, die Beschaffung von Geld, Waffen und Technik. Zu der Zeit war Sigurd noch "legal" und beteiligte sich auch noch im HAZ. Außer den Problemen einer solchen "zweigleisigen Arbeit" waren es auch politische Entwicklungen, die dazu führten, daß sich Sigurd aus dem MLZ und HAZ verabschiedete.

Nach dem Massaker an dem palästinensischem Kommando, das die Unterkunft der israelischen Olympiamannschaft besetzt hatte, waren es auch im MLZ und HAZ, wie in der übrigen Linken, nur wenigen Genoss/innen, die diese Aktion öffentlich verteidigen wollten. Im September 1972 schürten Regierung und Springerpresse eine massive Pogromhetze. Dagegen auf die Straße zu gehen und sei es nur Flugblätter zu verteilen, war dringend notwendig. Aber es gehörte Mut dazu, weil es immer wieder zu Übergriffen und Prügeleien von aufgehetzten Bürgern kam.

Ein zweiter Widerspruch zu MLZ und HAZ war die Frage einer Kampagne gegen die Bundestagswahlen Anfang November 1972. Sigurd setzte sich für militante Aktionen ein, während ein Großteil der Genoss/innen eine defensivere "Wählt ungültig"-Kampagne durchführte. Zu den Wahlen liefen dann in Hamburg auch Brandanschläge auf Einrichtungen des Springerkonzerns, auf Justiz- und Behördengebäude.

Danach zog sich Sigurd aus der "legalen Arbeit" zurück. Ab Sommer 1973 wurde nach ihm gefahndet. Ein Kellerdepot mit Chemikalien zur Sprengstoffherstellung hatte sich entzündet. Dort fanden die Bullen Hinweise auf Sigurd. In der Zeit seiner Illegalität konzentrierte sich Sigurd auf den logistischen Aufbau. Dabei vertraute er auch auf Menschen, die wenig von seiner Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit hatten. Darüber kam es zu einem Bruch innerhalb der hamburger Guerillagruppe. Im Frühjahr 1974 wurde Sigurd bei einem Banküberfall in Hamburg verhaftet. Er war aus seiner Gruppe heraus verraten worden und die Polizei hatte eine Falle aufgestellt.

Sigurd war nicht in der RAF und auch nicht in der Bewegung 2. Juni organisiert. Später hieß es, und selbst einige RAF-Angehörige verbreiteten das, "die RAF hätte ihn nicht gewollt", was vergißt, daß es die RAF 1972/1973 überhaupt nicht mehr gab. Aber 1972 war das keine Entscheidung gegen diese Gruppen und hatte auch keine politischen oder ideologischen Gründe. Vielmehr ging es überhaupt darum, am "Konzept Stadtguerilla" festzuhalten, an der Vorstellung, daß es notwendig und möglich ist Guerillakerne zuschaffen, die den imperialistischen Staatsapparat angreifen und sich zum "kleinen Motor" entwickeln, der den "großen Motor" (die Massenbewegung) anzieht. Die Vorstellung war 1972 nach der Verhaftung der RAF auch: jetzt müssen sich in allen Städten Guerillazellen bilden um nicht loszulassen; sie werden sich dann schon finden und vereinheitlichen.

Das findet sich bei Sigurd auch später noch, auch wenn er im Knast zeitweise den Gefangenen aus der RAF gegenüber skeptisch war und diese ihn ignorierten. Die Zeit mit ihnen zusammen, bezeichnete er als die wichtigste für ihn im Knast und für die Zusammenlegung kämpfte er in den Hungerstreiks.

Das Denken und Handeln Sigurds war von einer grundlegenden Erkenntnis und Entscheidunq bestimmt: die Einkreisung und Verstaatlichung der unterdrückten Klasse in der BRD wird nur durch das Vorangehen und die Initiative revolutionärer Kräfte zusammen und in einem weltweiten Befreiungskampf aufgebrochen werden. Er lebte und kämpfte dafür, die politischen und praktischen, wie auch die theoretischen Voraussetzungen und Handlungen zu schaffen und zu vertiefen.

Jahre der Isolationshaft in verschiedenen Varianten folgten der Verhaftung 1974. Jahre verbrachte er im Celler Knast und war der erste Gefangene, der in den neugebauten Hochsicherheitstrakt verlegt wurde. 1979 wurde er dann von Celle in den sog. Normalvollzug nach Hamburg Fuhlsbüttel verlegt, der für ihn kaum weniger qualvoll war wie die Einzelisolation. Es war von den Knastbehörden nur ein weiterer Versuch, ihn in seiner Persönlichkeit zu brechen.
1981 nahm Sigurd am 11.2. den Hungerstreik auf. Ziemlich schnell wurde er in brutalster Weise zwangsernährt. Damit sollte sein Widerstand gebrochen und er zur Aufgabe des Hungerstreiks gezwungen werden. Stundenlange, einmal mehr als 10 Stunden hintereinander, Fesselungen und Infusionsbehandlungen erfolgten den ganzen März. Bei einer dieser Folterungen Anfang April wurde Sigurd dermaßen mißhandelt, daß er ins Koma fiel. Er mußte in das öffentliche Krankenhaus Barmbeck in Hamburg gebracht werden - und dort starb er ohne das Bewußtsein wieder zuerlangen.

Sigurd starb an innerer Kopfblutung. Ein Sanitäter sprach später von einem "Schlachtfest" bei der letzten Zwangsernährung. Sigurd wurde brutal zusammengeschlagen und hat Schläge auf den Kopf bekommen. Selbst aus dem geschönten Obduktionsbericht läßt sich diese Tortur herauslesen, auch wenn er die Ursachen der Gehirnblutung nicht eindeutig benennt. Sigurd Debus starb nicht am Hungerstreik, sondern an der medizinisch getarnten Behandlungsfolter.

Die politisch Verantwortlichen in Hamburg und im Justizministerium unter Minister Schmude manipulierten mit seinem Tod. Erst am 16.4. - nach Abbruch des kollektiven Hungerstreiks durch das Kollektiv der gefangenen Frauen in Lübeck - gaben sie seinen Tod bekannt, obwohl Sigurd bereits am 11.4.81 "klinisch tot" war.

Allein das Gerücht, Sigurd könnte tot sein, hatte in Berlin zu einer Straßenschlacht auf dem Ku'damm geführt. Die HERRschenden mußten befürchten, daß wenn sein Tod vor Ende des Hungerstreiks offiziell bestätigt wird, der Kampf auf den Straßen sich verschärfen wird. Außerdem hätte die Bekanntgabe seines Todes die Verhandlungen zwischen Justizminister Schmude und den Anwälten der RAF-Gefangenen gefährdet. Bedauerlich war, daß die RAF-Gefangenen in Lübeck, die den Hungerstreik-Abbruch einleiteten, obwohl sie vom Zustand von Sigurd wußten -, ihn mit keinem Wort erwähnten. Eine schlimme Situation, aus Ignoranz und Überheblichkeit geboren.
Erst das Kommando der Rote Armee Fraktion, das am 31.8.1981 das Hauptquartier der US-Airforce in Europa in Ramstein mit einer Autobombe angriff und sich den Namen SIGURD DEBUS gab, schaffte eine Klarstellung.

Warum eine solche Brutalität der Justizbehörden gegen Sigurd? Seine Unbeugsamkeit und Identität machten ihn in allen Knästen der Knastkommandatur verhaßt. Das wissen wir aus seinen Berichten über die ständigen Schikanen über Jahre. Auch die politische Situation im Frühjahr 1981 spielte sicher eine große Rolle: im Hungerstreikkampf vereinigten sich verschiedene Stränge revolutionärer Initiativen - die Anfänge der Anti-Nato-Bewegung und die Hausbesetzungsbewegung. Es entstand ein Aufschwung und es begann eine dynamische Entfaltung revolutionärer Widersprüche gegen den Staat.

Aber vielleicht spielte noch etwas ganz anderes eine Rolle? Sigurd war in der Zeit, wo er in Celle im Knast war, mehrfach das Objekt von Manövern des Verfassungsschutzes.
Diese waren auf höchster Ebene durch Bundeskanzler Schmidt abgesegnet und entschieden worden. So die "Operation Neuland", mit der über einen vorgetäuschten Versuch, Sigurd zu befreien und einem Sprengstoffanschlag auf den Celler Knast (das berühmte "Celler Loch") versucht wurde, VS-Agenten in illegale Gruppen einzuschleusen. Das mißlang.

Vielleicht mußte Sigurd sterben, weil er dies schon früher hätte aufdecken können? In der öffentlichen Entrüstung über die VS-Aktivitäten ist dieser Zusammenhang nie untersucht worden.

(Überarbeitete Fassung eines Artikels aus dem Info zum Frankfurter Börsenprozeß Nr. 8-10 (1991))

aus der ML-Zeit: Sigurd beim Besuch eines chinesischen Frachters im Hamburger Hafen


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