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Freitag, 29.03.2024

Kunduz, September 2009. Ein Kriegsverbrechen erinnern

Berlin: Videokundgebung am 3.9.2013 um 18°°, Platz des 18. März, Brandenburger Tor

Auf den Monitoren der Militärs sind nur kleine Punkte zu erkennen. Die Punkte bewegen sich. Eine „geheimen Quelle“ spricht von einer Ansammlung von Taliban. Mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für das wenige Kilometer entfernt liegende Bundeswehrlager sind, wird der Befehl zur Bombardierung gegeben. Zwei 500 Pfund Bomben werden von Piloten der F-15 Jets abgeworfen. Die Wucht der Explosion zerfetzt alle, die sich in unmittelbarer Nähe aufhalten. Leichenteile, Hände und Köpfe regnen vom Himmel.

Das Bombardement am 4. September 2009 in der Nähe von Kunduz/ Afghanistan ist das bislang größte Kriegsverbrechen seit Bestehen der Bundeswehr. Die Punkte waren Schüler, Bauern, Taxifahrer, Schäfer. Menschen aus den umliegenden Dörfern, die in jener Nacht zu den stecken gebliebenen Tanklastern aufgebrochen waren, um etwas Benzin in ihre mitgebrachten Kanister zu füllen. Sie wurden jäh aus ihrem Leben gerissen. Familien verloren ihre Söhne, ihre Väter, ihre Brüder. Über hundert Menschen wurden getötet und zahlreiche verletzt.

Den Befehl zur Bombardierung hatte der Bundeswehroberst Georg Klein gegeben.

Psychologische Kriegsführung

In den darauf folgenden Tagen wird von deutschen Stellen verkündet, dass es sich um einen erfolgreichen Angriff gegen Taliban bzw. Aufständische gehandelt habe. Der neu eingewechselte Kriegsminister Guttenberg spricht zunächst von militärisch angemessen.

Doch mit der Zeit dringen Informationen an die Öffentlichkeit, die der Kriegspropaganda widersprechen. Die hohe Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten kann nicht mehr geleugnet, die Version eines erfolgreichen Angriffs nicht mehr aufrecht gehalten werden.

Guttenberg bleibt zwar im Kabinett, feuert dafür aber zwei Führungskräfte und bezeichnete den Angriff nun als militärisch nicht angemessen.

Der Öffentlichkeit musste vermittelt werden, dass Kriegseinsätze keine Aufbauhilfe, sondern blutiges Handwerk sind.

Du sollst (nicht) töten

Es bedarf der psychologischen Kriegsführung, um das Töten, das im zivilen Leben unter Strafe gestellt wird, in einem anderen Kontext als angemessen, ja notwendig darzustellen.

Propaganda, Manipulation und rassistische Diskurse bewirken, dass das Leiden und Leben der nicht zur Gemeinschaft gehörenden Menschen, als nicht so bedeutsam wahrgenommen werden, die Entrechtung als gerechtfertigt, das Auslöschen der Leben als legitim erscheint.

Während über jeden toten Bundeswehrsoldaten ausführlich berichtet wird, Namen und Familiengeschichten erzählt werden, finden die Toten von Kunduz, sowie die tausenden Zivilisten, die in Folge des NATO-Kriegseinsatzes in Afghanistan zu Tode gekommen sind, keine Erwähnung. Durch diese inszenierte Gedenkkultur und die Medienberichterstattung wird ein (nationales) WIR konstruiert und die Bevölkerung fühlt sich den Toten des eigenen Landes, des eigenen Kulturkreises verbunden.

Die Raster, mittels welcher wir das Leben anderer als zerstört oder beschädigt wahrnehmen oder eben nicht wahrnehmen, sind politisch mitbestimmt.

Krieg ist Frieden – das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit

Die Geschichte ist voll von Beispielen, bei denen Kriegsgründe erfunden oder gar inszeniert wurden. 1999 hielt Kriegsminister Scharping in Vorfeld des Krieges gegen Jugoslawien Bilder von Leichen in die Fernsehkameras und redete von einem Massaker an Zivilisten, das sich später als ein Gefecht zwischen Milizen entpuppte.

2003 sprach US-Außenminister Powell im Vorfeld des Irak-Krieges vor dem UN-Sicherheitsrat von mobilen Biowaffenlabors und einer Bedrohung der Welt durch Sadam Hussein.

Mit ausgeklügelten Propagandatricks wird um die Akzeptanz der Öffentlichkeit zu den jeweiligen Kriegseinsätzen gekämpft. Ein geleakter CIA-Bericht offenbarte, wie die Kriegsbegründungen auf die jeweiligen gesellschaftlichen Stimmungen abgestimmt werden. Um die Bereitschaft für den Krieg in Afghanistan in der französischen Gesellschaft zu fördern, wurde empfohlen, die Situation der Frauen und der Flüchtlinge zu thematisieren. Im Falle der deutschen Gesellschaft sollte die Angst vor einer Niederlage (Drogen, Terrorismus, Flüchtlinge) angesprochen werden.

Ziel und Zweck der Kriegspropaganda ist es, die wahren Geschehnisse und tatsächlichen Kriegsgründe des „Friedenseinsatzes“ vor der Öffentlichkeit geheim zu gehalten. Denn die blutigen Details entsprechen nicht dem Bild der westlichen, demokratischen Rechtsstaaten.

Frieden ist Krieg – die grausame Realität des Krieges

Die Zivilbevölkerung Afghanistans wird zwischen den Auseinandersetzungen von bewaffneten Gruppen, Warlords, Islamisten, afghanischen Regierungstruppen und den NATO-Soldaten zerrieben. Auch im ersten Halbjahr 2013 ist die Zahl der zivilen Opfer im Vergleich zum Vorjahr weiter angestiegen.

Die Intensität der Kampfhandlungen hält an, von Stabilität keine Spur. Allerdings sind zunehmend die von den NATO-Truppen ausgebildeten afghanischen Regierungstruppen in die bewaffneten Auseinandersetzungen involviert.

Der Kriegsalltag bedeutet Zerstörung, Nahrungsmittelknappheit, Verlust der Wohnung, Angst, Verzweiflung, Körper verstümmelnde Minen, fehlende Zukunftsperspektive, Leben als Flüchtling, Erniedrigung, der Tot von FreundInnen und Verwandten.

Seit Einmarsch der Nato-Truppen in Afghanistan hat sich der Flächenverbrauch für die Produktion von Opium mehr als verzwanzigfacht. Die Drogenindustrie durchdringt Politik und Wirtschaft.

Kriegsverbrechen erinnern

Am 4. September jährt sich das Massaker von Kunduz. Mit einer Videokundgebung möchten wir an das Verbrechen erinnern und die Sichtweise der vom Krieg Betroffenen der einseitigen Kriegsberichterstattung und nationalen Gedenkkultur entgegen setzen.

Krieg beginnt hier

Als Kundgebungsort wählen wir bewusst die Gegend am Brandenburger Tor, weil viele deutsche und europäische Rüstungsfirmen, deren Drohnen Targets ausspähen, die sich später als Rückzugsorte von Zivilisten entpuppen, dort ihren repräsentativen Sitz haben. Zwischen einem Latte Machiatto Unter den Linden und Sushi am Potsdamer Platz gehen Geschäftsführer und MitarbeiterInnen ihren mörderischen und profitablen Geschäften nach. Es ist weniger der repräsentative Glanz, sondern die Nähe zum Regierungsviertel, die für diese Firmen wichtig ist.

Videokundgebung am 3.9.2013, Platz des 18. März, Berlin, 18°° Uhr


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