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Dienstag, 19.03.2024

Schampussaufen am Tag Y: Denunziation von Antimilitarist/innen

Die Aktion "Feste feiern, wie sie fallen", die in Berlin zu einem Schampussaufen am "Tag Y" eingeladen hatte, war in den vergangeenen Wochen schon mehrfach ins Visier staatsschützender Beamter geraten. Buchläden und linke Provider wurden durchsucht, auf der Suche nach den Initiator/innen der Aktion und der sie bewerbenden Homepage . Da die Freiheit der bundesrepublikanischen Marktwirtschaft am Hindukusch verteidigt wird, darf auch das zu schützende Gut selbst nicht ohne ausreichende Deckung bleiben. Deshalb trat die Staatsanwaltschaft an die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) heran mit der Aufforderung, Namen von Verantwortlichen zu nennen. Dieser Offerte kam der Bundesvorstand offenbar nach, wie in einem Brief der Landesgeschäftsführung Berlin-Brandenburg kritisert wird.

DFG-VK Berlin-Brandenburg

Denunziation von AntimilitaristInnen durch den DFG-VK-Bundesvorstand

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Bundesvorstand der DFG-VK hat diese Woche drei Berliner AntimilitaristInnen bei der Polizei denunziert. Die Übermittlung ihrer Namen geschah im vollen Wissen, dass den Betroffenen nun mit hoher Wahrscheinlichkeit Hausdurchsuchungen bevorstehen und ein Ermittlungsverfahren wegen ihrer politischen Aktivitäten droht.

Die Maßnahme des Bundesvorstandes steht in Zusammenhang mit der Aktion "Feste feiern, wie sie fallen", die in Berlin zu einem "Schampussaufen" eingeladen hatte, sobald der nächste Bundeswehrsoldat "fällt". Diese Aktion mit dem Namen "Tag Y" war auf der Homepage beworben worden. Seit über einem Monat ist sie als satirische Provokation geoutet.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Verantwortlichen Volksverhetzung und Beleidigung vor. Mitte und Ende April hat es bereits Hausdurchsuchungen gegeben, um Personen zu ermitteln, die für die Einstellungen auf verantwortlich sind. Diese Durchsuchungen waren offenbar erfolglos, weil sie keine Namen lieferten. Da hat nun die DFG-VK geholfen. Laut Durchsuchungsbeschlüssen sei der Aufruf zum "Tag Y" geeignet, "den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen und durch den Aufruf zum Feiern auch das Sicherheitsgefühl der Bundeswehrangehörigen und deren Familien stark zu beeinflussen." Das sind starke Worte. Wie wenig der Staatsmacht selbst am "Lebensrecht" der afghanischen Bevölkerung und ihrem Sicherheitsgefühl liegt, hat sie eindrücklich dokumentiert, als sie Oberst Klein, dem Verantwortlichen für das Massaker von Kundus, einen Persilschein ausstellte.

Es geht hier nicht darum, die Aktion "Tag Y" zu rechtfertigen. Es geht um die Frage: Lassen wir zu, dass die Staatsgewalt eine antimilitaristische Aktion kriminalisiert, und lassen wir zu, dass ein Friedensverband wie die DFG-VK sich als williger Helfer der Staatsanwaltschaft betätigt?
Denn auch wer "Tag Y" ablehnt, wird ja erkennen, dass hinter dem Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaft eine politische Motivation steht. Der Verteidigungsminister, der Wehrbeauftragte, der Bundeswehr- und der Reservistenverband fordern vehement eine Bestrafung der AntimilitaristInnen. Je mehr die Zustimmung der Bevölkerung für den Afghanistan-Krieg schwindet, desto repressiver geht der Staat gegen diejenigen vor, die - aus seiner Sicht - der Truppe den Dolch in den Rücken stoßen.

Die staatliche Repression ist an sich schon ein Skandal, aber kein unerwarteter.
Viel schlimmer ist es, dass sich nun auch die DFG-VK militärisch "einbetten" lässt. Ihr Bundessprecherkreis (BSK) hat den Berliner Landesvorstand bereits im Januar darauf hingewiesen, "dass wir als BSK verpflichtet sein könnten, im Falle von Ermittlungen seitens der Berliner Justiz Eure Adressen mitzuteilen."

Am 3. Mai, hat die Staatsanwaltschaft ein Fax an den Vorstand geschickt und die Herausgabe einer Namensliste verlangt. Bei Weigerung wurde eine Bürodurchsuchung angedroht.
In so einem Fall muss es unter politisch aktiven Menschen normal sein, sich zu verständigen und eine Lösung zu finden, die für alle Seiten möglichst schonend ist. Natürlich hätte der Landesverband Berlin-Brandenburg nicht eine Beschlagnahme sämtlicher Vereinsunterlagen und -computer in Kauf nehmen wollen. Es wäre aber möglich gewesen, eine Lösung zu finden. Der Berliner Landesvorstand, von dem Fax am Abend des 3. Mai informiert, verabredete sich mit dem Politischen Geschäftsführer Monty Schädel für den 6. Mai zu einer Besprechung. Wenige Stunden bevor diese stattfand, sandte der Bundesvorstand einen Brief an die Staatsanwaltschaft, in dem er drei Namen mitteilte und sie als Verantwortliche des Berliner Landesverbandes bezeichnete. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft nur ein einfaches Fax ohne jede Rechtsverbindlichkeit geschickt hatte. Davon, dass die DFG-VK verpflichtet war, die eigenen Mitglieder zu verpfeifen, konnte zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein. Es sei hinzugefügt, dass Monty sich den Berliner Aktiven gegenüber vom Vorgehen des Vereinsvorstandes klar distanziert hat.

Politisch aktive Menschen wissen, was sie von Denunzianten zu halten haben. Friedens- und antifaschistische Organisationen werden ihre Zusammenarbeit mit der DFG-VK überdenken müssen. Wer gemeinsam mit der DFG-VK Blockaden von Atomwaffenstandorten, von Nazi-Aufmärschen oder andere kriminalisierbare Aktionen vorbereiten will, weiß, dass in der DFG-VK Zuträger der Staatsanwaltschaft sitzen. Das Misstrauen wird auch diejenigen DFG-VK-Aktiven treffen, die das Vorgehen des Vorstands verurteilen - solange sie mit diesem in Kontakt stehen.
Der Landesverband Berlin-Brandenburg wird deswegen bis auf weiteres dem Bundessprecherkreis keinerlei Informationen über geplante Aktivitäten zukommen lassen.

Der Berliner Verband ist aber daran interessiert, dass die DFG-VK eine handlungs- und bündnisfähige Kraft bleibt. Deswegen macht er diesen Vorgang öffentlich, deswegen ruft er Euch dazu auf, Stellung zu nehmen - zur Kriminalisierung der Berliner AntimilitaristInnen, und zur Denunziation durch den DFG-VK-Vorstand. Diesem muss klar signalisiert werden, dass er seine Glaubwürdigkeit verloren hat. Wird dessen Verhalten geduldet, droht das Ende der DFG-VK als integrer politischer Kraft.

Die Landesgeschäftsführung

Presseartikel:
11. Mai 2010, junge Welt: Ein Führungsmitglied der DFG-VK denunzierte Berliner Mitglieder an die Staatsanwaltschaft. Gespräch mit Monty Schädel:

12. Mai 2010, Neues Deutschland: Antimilitaristen angeschwärzt? DFG-VK-Bundessprecher gibt Namen an Staatsanwaltschaft weiter:

14. Mai 2010, junge Welt: Bundessprecher der DFG-VK arbeitete der Staatsanwaltschaft zu – er denkt aber nicht an Rücktritt. Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin:

21. Mai 2010, Neues Deutschland: Streitfrage: Wie provokativ darf antimilitaristischer Protest sein?


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