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Dienstag, 19.03.2024

Verhör unter Psychopharmaka

Am 29. Juni 2002 explodierte eine Bombe in den Händen von Savas Xiros. Der Aktivist der griechischen "Revolutionären Organisation 17. November" (17N) wurde festgenommen und schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht. Noch während er mehr tot als lebendig auf der Intensivstation lag, kümmerten sich schon Spezialisten der griechischen "Antiterroreinheiten" um ihn. Die Savas Xiros bei den Verhören ohne Hinzuziehung eines Anwaltes abgerungenen Informationen führten zur Verhaftung weiterer Genossen und wurden trotz seines Protestes im Prozess gegen insgesamt 19 mutmaßliche Mitglieder der 17N als Beweismittel der Anklage zugelassen.
Der im Dezember 2003 zu sechs Mal lebenslänglich verurteilte Savas Xiros versucht nun zu beweisen, dass ihm seine Aussagen unter dem gesetzeswidrigen Einsatz von Pharmazeutischen Mitteln abgepresst wurden. Auch führt er seine bleibende Behinderung nicht nur auf die Folgen der Explosion, sondern ebenso auf die Behandlung durch die "Antiterrorexperten" zurück. In mehreren Eingaben an die griechischen Minister für Justiz und Gesundheit forderte der fast blinde und auf einem Ohr taube Savas Xiros drei Untersuchungen, die laut Angaben von Ärzten die von ihm behauptete Manipulation des Gehirns durch eine Injektion von Sodium Amital in die Halsschlagader nachweisen könnten. Mit einer Magnetischen Angiographie (Gefäßbeschreibung) Gehirntomographie könnten durch das Serum verursachte bleibende Schäden von Gehirnzellen nachgewiesen werden. Eine Triplex der Karotide würde die Verhärtung und Verengung der Halsschlagader als Auswirkung einer Tropf-Injektion in dieselbe aufzeigen. Der seit seiner Verurteilung in Isolationshaft gehaltene politische Gefangene klagt über chronische Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Halluzinationen, er auf die verminderte Funktion der Halsschlagader und die Schädigung von Gehirnregionen zurückzuführen sind. Obwohl Savas Xiros seit seiner Festnahme insgesamt 11 Mal operiert wurde und noch mindestens weiter vier Operationen anstehen, wurden ihm die geforderten Untersuchungen bis heute verweigert. Darüber hinaus hat nicht einmal der Patient selbst Einsicht in alle Unterlagen bisheriger ärztlicher Untersuchungen. Einige der Untersuchungsergebnisse sind nach Angaben seines Anwaltes lediglich den Behörden der griechischen "Antiterrorabteilung" zugänglich.

Am 7. Dezember wandte sich Savas Xiros zum dritten und nach eigenen Worten letzten Mal an die griechischen Minister für Justiz und Gesundheit. Nachfolgend ein Auszug aus seinem Schreiben, dass die Geschehnisse seit seiner Verhaftung beschreibt.

Verhör unter Psychopharmaka

Alles geschah getreu dem griechischen Gesetz, so hört man, während viele versuchen, die schwarze Phase der Verhöre unter Einsatz von Psychopharmaka
an einem mit dem Tod Ringenden, mit Handschellen Gefesselten auf der Intensivstation, aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Bezeichnenderweise legalisierte das Gericht später diese "Behandlung" durch die Aussage, dass mit den Verhören meinem wahrscheinlichen Tod zuvorgekommen werden musste. Anschienend brauchte man Beweise, um mich sogar posthum noch verurteilen zu können. Aber auch lebendig konnte man mich ohne jedes Verhör, lediglich mit dem, was bei mir gefunden wurde, verurteilen. (...)
Und natürlich ist es auch weder gesetzeswidrig, noch etwa dem Wunsch nach Rache geschuldet, dass ich, ungeachtet meiner zerstörten Hand, der gebrochenen Rippen, des Asthmas, der chronischen Kopfschmerzen, Schwinde und Instabilität, blind und taub nach 65 Tagen auf der Intensivstation in eine Isolationszelle, nicht größer als eine Toilette, die bei jedem Regenfall unter Wasser stand im noch im Umbau befindlichen Gefängnis verlegt wurde. Und natürlich glaubte niemand, dass es an dem Einsatz von Psychopharmaka liege, wenn ein 40jähriger Mann mit einer langen Geschichte, die die Gesellschaft über mehrere Jahrzehnte hinweg beschäftigt hatte, nun plötzlich keinen graden Satz mehr herausbrachte.
Blind und taub wurde ich vor Gericht gestellt. Ich konnte nicht eine Zeile der Gerichtsakten lesen. Was um mich herum vorging, nahm ich in einem Nebel wahr, ohne dass ich in der Lage war, die Bedeutung von Gesagtem zu erfassen oder etwa Fragen zu stellen. Man hinderte mich mit allen Mitteln daran, etwas zu den an mir begangenen Folterungen auf der Intensivstation zu sagen. Mir wurde teils mit Sarkasmus, Ironie oder Beleidigungen, teils mit eisigem Schweigen begegnet. Andere bewarfen mich mit jedem erdenklichem Dreck. Meine Anwesenheit im Gerichtssaal diente ausschließlich der Rechtfertigung des Verfahrens.
Heute, zweieinhalb Jahre nach dem Prozess, habe ich 11 Operationen hinter mir, vier weiter liegen noch vor mir. Die meisten von ihnen hätten vermieden werden können, wenn es nicht um die bewusste und rachsüchtige Verschleierung der Wahrheit mit allen Mittel ginge. Stattdessen wird der Öffentlichkeit, unter Verschweigen der Probleme, denen ich in meiner Zelle täglich ausgesetzt bin, das Bild eines gesunden Menschen vorgegaukelt. Ärztliche Untersuchungsergebnisse verschwinden, Anzeichen für Beschwerden werden nicht registriert oder ignoriert. Andererseits tauchen Bescheinigungen für Untersuchungen auf, die nie gemacht wurden. Meine Leberschwellung und die Schmerzen in Leber und Nieren werden als "im natürlichen Rahmen liegend" bezeichnet. Gegen das Asthma kriege ich Kortison, also auch hier kein Problem. Meine Ohren warten auf zwei weiter Operationen, ebenso meine Hände, mögen sie warten bis zum Sankt Nimmerleins Tag. Nach sieben Operationen an den Augen habe ich eine Sehkraft von 10 Prozent auf dem einen, das andere ist blind. Ich erkenne Gesichter in einem Abstand von 30cm, also sehe ich. Die von Ärzten bescheinigten Herz- und Nervenprobleme werden nirgends erwähnt, also existieren sie nicht, trotz meiner beiden Schlaganfälle, der chronischen Kopfschmerzen, der Schwindelgefühle. Zusammen mit der fast gänzlichen Blindheit und Taubheit verhindern diese Probleme jede individuelle Aktivität oder die Teilnahme an Aktivitäten einer Gruppe und bedeuten für mich eine Isolation in der Isolation.

Ich werde nicht auf Papiere oder Bescheinigungen antworten, die bestätigen sollen, dass die eine oder andere Untersuchung erfolgt ist. Meine gesundheitliche Situation erfordert eine sofortige Verlegung ins Krankenhaus, um die oben geschilderten gesundheitlichen Probleme systematisch zu behandeln. Bis dahin wird jede andere Antwort als Übereinstimmung mit und Fortsetzung der Folter mit dem Ziel meiner endgültigen Auslöschung bewertet.
Die Wahl liegt bei Ihnen.

Savas Xiros am 7. Dezember 2004


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