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Dienstag, 05.11.2024

ESF 2009: Rede auf dem Antikriegspanel

Vom 17. bis 21. September fand in Malmö (Schweden) das diesjährige European Social Forum (ESF) statt. Das ESF ist sicher mit das größte Treffen von sozialen Bewegungen und fortschrittlichen Gruppen der "Zivilgesellschaft" in Europa. In über 200 Seminaren und workshops wurde während der fünf Tage heftigst demonstriert. Am Samstag demonstrierten ca. 20.000 ESF-teilnehmer/innen und lokale Aktivist/innen.
Am Freitag fand die "great assembly" gegen NATO und Krieg statt. In zahlreichen Beiträgen von Genoss/innen aus den verschiedensten Ländern, wurde die Absicht bekundet, den NATO-Gipfel 2009 zu einem der zentralen Punkte der gemeinsamen Mobilisierung zu machen. Dies wurde auch in die Agenda 2009 der abschließenden Versammlung der sozialen Bewegungen am Sonntag aufgenommen.
Ein Libertad!-Genosse hielt dort auch für die Interventionistische Linke (iL) die folgende Rede.

Redebeitrag ESF zu NoNato'09 (19.09.08, MALMÖ)

Ich bin Mitglied der kleinen Solidaritätsorganisation Libertad! und spreche auch für die Interventionistische Linke (iL). Im vergangenen Jahr organisierten wir mit vielen anderen die Proteste und Blockaden in Heiligendamm. Jetzt beteiligen wir uns an der Vorbereitung der Aktivitäten gegen den NATO-Gipfel im April 2009 in Strasbourg und Kehl. Auch das wollen wir wieder sehr bewusst mit vielen in Gang setzen.

Krieg ist kein Auslaufmodell. Mehr noch: Die heutige Weltordnung kennt keinen Frieden mehr ohne Krieg. Dieser Dauerkriegszustand sieht in den verschiedenen Ländern und Konflikten sehr unterschiedlich aus. Auch wird dabei nicht nur geschossen und bombardiert. „Globale Sicherheitspolitik“ ist das Schlagwort für weltweites Krisenmangement und Verteidigung „westlicher“ Privilegien und Lebensweise. Damit soll der kapitalistische Weltmarkt abgesichert und der unbegrenzte Zugang zu Ressourcen garantiert werden.

Dieser Krieg ist global und hat keinen Anfang und kein Ende - er ist zeitlich und räumlich unbegrenzt.

Auch ist es keinesfalls so, dass dieser Krieg nur außen, jenseits unserer jeweiligen Grenzen, stattfindet. In der globalen Sicherheitsarchitektur sind außen und innen tendenziell aufgehoben, längst haben wir es mit einer so genannten „Weltinnenpolitik“ zu tun. Denn der ausgerufene „Krieg gegen den Terror“ wird auch in den metropolitanen Ländern geführt und verschärft die zunehmende Militarisierung der Gesellschaften. Autoritäre Kontrollmechanismen werden in einem Ausmaß und in einer Geschwindigkeit durchgesetzt, das jede Aufzählung unvollständig ist: Videoüberwachung und großer „Lauschangriff“, umfassende Erfassung genetischer Fingerabdrücke und digitaler Daten, Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, Ausbau polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse usw usf. Das alles führt zu einer autoritären Formierung der Gesellschaften. Nicht als in Kauf zu nehmende und bedauerliche Nebenwirkung, sondern als Zweck.
Besonders deutlich wird das an der Folter und ihrer Normalisierung. Auch daran, dass diese Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens zu einer Verschärfung patriarchialer Unterdrückungsverhältnisse führt. Immer deutlicher werden die Zusammenhänge von Krieg, globaler Ausbeutung, Sozialabbau, Rüstungsproduktion sowie der Zunahme männlicher Gewalt, Vergewaltigung und Folter, von Armee und Prostitution.

Denn die kapitalistische Globalisierung und die neuen imperialen Kriege sind zwei Seiten einer Medaille.

Dabei ist die NATO nach wie vor - oder vielleicht auch mehr denn je - ein zentrales Instrument zur Durchsetzung so genannter „westlicher Interessen“. Mit dem Ausrufen des „Bündnisfall“ von 2001 gegen Al’Kaida wurde der Zuständigkeitsbereich globalisiert. Die seitdem laufende „Operation Enduring Freedom“ hat den permanenten Ausnahmezustand als strukturelles Merkmal des globalen Kapitalismus gesetzt.

Aus all dem hier nur kurz Angerissenen ist der NATO-Gipfel 2009 für uns ein notwendiger Anlass mit einer starken und vielfältigen internationalen Mobilisierung den Kriegsstrategen unseren Protest und Widerstand entgegenzusetzen.

60 Jahre NATO sind mehr als genug! Wir wissen, Gipfel und Geburtstage sind eine gutes Gelegenheit den Verantwortlichen für Krieg und Rechtlosigkeit in die Parade zu fahren.

In Deutschland haben sich erste Netzwerke und Zusammenschlüsse gebildet und erste Vorschläge und Eckpunkte erarbeitet. Wir knüpfen dabei sehr selbstbewusst an die Aktionen von Rostock/Heiligendamm 2007 an.

Wir wissen, dass der Kampf gegen NATO und Militarisierung, auch gegen den NATO-Gipfel im April 2009 in Strasbourg nur ein internationaler sein kann.

Genau das wollen wir euch vorschlagen und gemeinsam verabreden: Im Frühjahr 2009 den Zusammenhang von globalen Kapitalismus und Militarisierung herstellen, in dem wir ihn angreifen.

Unsere Ziele und Eckpunkte sind:
- Delegitimierung von NATO und Militär
- Kompromisslos gegen Krieg und Folter
- Entsolidarisierung von den europäischen und us-amerikanischen Kriegsanstrengungen
und:
- keine Komplizenschaft mit der Macht!

Wir schlagen für die Aktionstage in Strasbourg und Kehl neben einer großen internationalen Demonstration, neben Camp, Kultur und Diskussionen, eine direkte Blockade und Belagerung der NATO-Kriegsstragen vor. Wir wollen sie aus- und einsperren. Unser Vorschlag zielt auf die effektive Umzingelung und Isolierung des Gipfels. Wir wollen, das sich alle daran beteiligen können.
Deswegen brauchen wir Vorbereitungsgruppen und Aktionstraining, Vertrauen und Absprachen.

Zu diesem Konzept gemeinsamer Vorbereitung gehört deswegen auch eine internationale Aktionskonferenz, auf der wir alles besprechen und verabreden wollen. Diese Konferenz soll spätestens Mitte Januar, am Besten in Strasbourg stattfinden.

Es gibt also viel zu tun. Wir wissen, der Event ist der Anlass der Anti-Nato-Kampagne, aber nicht ihr einziger Zweck. Wir wollen eine aktive und aktionistische Kampagne. Eine Kampagne, in der lokal und regional Antimilitaristische Aktionskomitees entstehen, vorhandene sich vernetzen, um schon vor dem Gipfel z.B. die Präsenz des Militärs im öffentlichen Raum zu stören, die Verbindung z.B. von Rassismus und militärischer Flüchtlingsabwehr a’la Frontex zu thematisieren, oder z.B. die militärische und universitäre Folterausbildung und -rechtfertigung praktisch zu kritisieren.

Aus diesen Strängen - und mit dem Elan von Strasbourg können wir zusammen auch nach dem Gipfel weiterkommen.

Also: Auf nach Strasbourg und Kehl!
Krieg dem Krieg!

Siehe auch:


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