Solidarität ist unsere Waffe!

Donnerstag, 21.11.2024

RECHTSHILFETIPS für die Aktivitäten gegen den NATO-Gipfel 2009

Gewöhnlich hilft die Broschüre "Was tun wenn's brennt...", aber für Frankreich und gegenüber der französischen Polizei und Justiz braucht's noch was extra. Das hat jetzt das Legalteam zusammengestellt.

Unter dem Titel Mögliche juristische Konsequenzen unserer Aktion hat NATO-ZU eine Zusammenstellung wichtiger Infos zu polizeilich/ juristischen Fragen im Zusammenhang mit den Blockaden erstellt.

RECHTSHILFETIPS für die Aktivitäten gegen den NATO-Gipfel 2009
DIE TELEFONNUMMER DES LEGAL-TEAMS : 03.68.46.02.62

GRUNDSÄTZLICHES:

* Vor, während und nach den Protesten: Bleibt in Gruppen, niemals alleine !

* Vergesst nicht, folgende Dinge immer dabei zu haben::
Eure Ausweise/ VISA/ Telefonkarten/ Papier und Schreibzeug/Brillen (besser als Kontaktlinsen)/ eure Medikamente (sofern notwendig).

* Hinterlasst irgendwo euren Vor- und Nachnamen und Geburtsdatum und ruft diese Angaben jemandem zu falls ihr festgenommen werdet

* Schreibt euch die Telefonnummer des Legalteams auf den Arm

* Bringt keine Fotoapparate oder Videokameras mit: es existieren Teams, die den Protest filmen.

* Vermeidet es, euer persönliches Telefon voller Kontakte und Bilder mitzunehmen – eure Freunde werden es euch danken.

* Alle Substanzen, die euer Verhalten ändern (Alkohol und Drogen), Messer und Waffen aller Art sind natürlich Faktoren, die die Situation im Fall einer Festnahme verschlimmern.

* Nehmt einen Schal oder ähnliches mit, um euer Gesicht während der Proteste oder bestimmter Aktionen zu verbergen. Das ist in Frankreich nicht illegal.

* Versucht euch beizubringen, die unterschiedlichen Typen von Polizisten (uniformiert oder nicht) zu erkennen. Zivilpolizisten sind oft daran zu erkennen, dass sie in Gruppen herumstehen und die Situation zu Beginn der Proteste beobachten. Die Mobilen Abteilungen der Gendarmerie tragen die Nummer ihrer Einheit auf dem Rücken (z.B. 1A, 3B, etc.).

* Seid euch bewusst, dass kürzlich eine Spezialeinheit der Polizei (nicht des Geheimdienstes) gegründet wurde, um Gruppen zu infiltrieren.

* Vergesst nie, dass es VIELE Zivilbeamte gibt. Sprecht nicht offen in den Strassen über eure Aktionen und vermeidet es, Namen zu benutzen.

* Verteilt nicht Sticker oder Flyer eurer Organisationen an irgendwen. Die Polizei darf euch nicht auffordern, Sticker zu entfernen, die an euch befestigt sind. Das selbe gilt für Fahnen und Transparente.

* Im Fall von breiter gewaltsamer Repression oder ähnlichem:
Bleibt cool, beobachtet die Situation und reagiert schnell.

* Sollte die Polizei versuchen, einzelne Aktivist/innen herauszuziehen, bleibt stehen und bildet Ketten. Bleibt vereint und solidarisch: auf diese Weise kann viele gewalttätige Repression verhindert werden und es ist möglich, Verletzte zu evakuieren.

* Beschützt Verletzte und versucht ein Saniteam zu kontaktieren.

* Wenn ihr von der Polizei angehalten werdet: bleibt ruhig und höflich. Die Polizei ist schnell dabei, euch wegen Beleidigungen anzuzeigen.

DAS LEGAL TEAM :

Während der Gegenaktivitäten werden die meisten vor Gericht zugelassenen
Anwälte Anwälte des Legal Teams sein und ständig im Kontakt mit dem Legal Team stehen. Daher:

Wenn du angehalten und in Polizeigewahrsam genommen wirst , kannst du nicht das Legal Team kontaktieren. Du musst nach einem „vor Gericht zugelassenen Anwalt“ verlangen.

Wenn du einem Richter vorgeführt wirst, nachdem du in Polizeigewahrsam genommen wurdest frage deinen vom Staat zugewiesenen Anwalt, ob er/sie Mitglied des Legal Teams ist. Falls nicht, sage ihr oder ihm dass du einen Anwalt des Legal Teams zugewiesen bekommen willst.

Wenn du Zeuge einer Festnahme wurdest, benachrichtige das Legal Team so schnell wie möglich und gib ihm die folgenden Infos: Name der festgenommenen Person(en), Ort der Festnahme, Anzahl der Festgenommenen, Polzeieinheit, Anzahl der Polizisten. Beschreibe so gut du kannst, was passiert ist und schreibe am besten ein Gedächtnisprotokoll. Deine Aussage ist wichtig und ausschließlich für das Legal Team bestimmt. In jedem anderen Fall, halte sie sicher unter Verschluss!

Sobald du freigelassen wurdest, benachrichtige so schnell es geht das Legal Team und schreibe ein möglichst genaues Gedächtnisprotokoll.

PERSONEN/FAHRZEUGKONTROLLEN :

Wenn du von der Polizei überprüft wirst, so hast du das Recht, mit umstehenden Personen zu kommunizieren und sie zu bitten, als Zeugen zur Verfügung zu stehen oder deine Freunde anzurufen um ihnen von deiner Situation zu berichten. Du kannst durchsucht werden. Dabei handelt es sich um ein Abtasten deiner Kleidung, keine körperliche Durchsuchung.

Die Polizei hat das Recht ein Fahrzeug zu durchsuchen, solange es nicht als Wohnraum dient. Das Fahrzeug kann bis zu 30 Minuten angehalten werden.

Befragung (PV in Frankreich): Falls du schlecht behandelt wurdest, sorge dafür, dass es im Bericht steht. Unterschreibe nichts, mit dem du nicht einverstanden bist. Falls du nicht einverstanden sein solltest, schreibe das was fehlt dazu und streiche den übriggebliebenen Platz durch, so dass kein Platz bleibt um im Nachhinein etwas dazuzufügen. Falls du nicht einverstanden sein solltest mit dem was da geschrieben steht, unterschreibe es nicht. Und grundsätzlich: Bitte um eine Kopie!

Sollte die Polizei mit deinen Papieren nicht zufrieden sein, kann sie dich für eine Personenfeststellung auf die Wache bringen.

POLIZEIGEWAHRSAM:

Du wirst in Polizeigewahrsam genommen, wenn es einen oder mehrere plausible Gründe gibt, dich zu verdächtigen, eine strafbare Handlung begangen oder geplant zu haben.

Das gibt der Polizei das Recht, dich zu verhören, und deine Kommunikation mit anderen einzuschränken oder zu behindern um die Beschuldigungen die sie gegen dich haben weiter zu untersuchen.

Dauer: Angefangen von dem Moment als du angehalten wurdest oder vom Beginn der Personalienfeststellung kann das Polizeigewahrsam bis zu 24 Stunden anhalten und es kann erneuert werden. Es kann bis zu 96 Std. für den Vorwurf der „Bandenmitgliedschaft“ betragen und bis zu 144 Std. für „Terrorismus“.

Fordere von Anfang an einen Übersetzer wenn nötig und lass dir deine Rechte erklären: Du hast das Recht zu erfahren, was dir vorgeworfen wird, ein Mitglied deiner Familie zu benachrichtigen, einen Anwalt zu sprechen und dich von einem Arzt untersuchen zu lassen. Verlange, jemandem Bescheid zu geben, der dir nahe steht – dieses Recht kann dir nur vom Staatsanwalt verweigert werden. Du hast das Recht, sofort einen Anwalt und einen Arzt zu sprechen. Dieses Recht erneuert sich, falls das Gewahrsam nach 24 Std. verlängert wird. Spreche den anwesenden Polizisten darauf an..

Das Recht, einen Anwalt zu sprechen

Nachdem du deine Angaben zur Person gemacht hast (Vor- und Nachname, Geburtsdatum und -ort) hast du das Recht zu schweigen oder die Aussage zu verweigern. Alles was du sagst, kann und wird gegen dich und die Leute verwendet werden, die du erwähnst. Wir schlagen vor, du verweigerst die Aussage bis du mit einem Anwalt gesprochen hast.

Eine komplette Durchsuchung im Polizeigewahrsam beinhaltet von einem Beamten des gleichen Geschlechts ausziehen zu lassen. Nur ein Arzt hat das Recht bestimmte Körperuntersuchungen durchzuführen.

DNA-Proben können nicht ohne deine Erlaubnis genommen werden. Wenn du wegen „Beleidigung und Rebellion“ festgenommen wurdest, hat die Polizei nicht das Recht, eine DNA-Probe zu nehmen.

Eine Verweigerung ist möglich (und ratsam), aber es ist ein Delikt. Die Polizei kann eine DNA-Probe von körperfremden Gegenständen (Zigarettenkippen, Haare) nehmen und die Ergebnisse können vor Gericht gegen dich verwendet werden. Sei dir bewusst, dass die Verweigerung von DNA-Proben im Mund als „militante Aktion gegen DNA Datenbanken“ gewertet werden kann.

Während du festgehalten wirst, versuche ruhig zu bleiben trotz physischem und psychischem Druck durch die Polizei: Brutalität, Bedrohung, Einschüchterung, Demütigung, usw.

AM ENDE DEINER GEWAHRSAMNAHME :

Wenn sie dich gehen lassen, gilt der selbe Rat bezüglich der Befragung wie zu Beginn der Festnahme. Die Polizei überprüft die Bedingungen deiner Festnahme. Es ist nicht ratsam, ein Dokument zu unterschreiben, sollte weiter gegen dich ermittelt werden. Ein unterschriebener Bericht kann Probleme für deinen Anwalt während der Verteidigung nach sich ziehen.

Der Staatsanwalt entscheidet, ob es zu einer Strafverfolgung kommt oder nicht. Sollte es zu einer Verfolgung kommen, so kann er/sie eine der folgenden Möglichkeiten wählen:

* die Untersuchung weiterführen – du wirst einem Untersuchungsrichter vorgeführt;

* das Urteil auf später verschieben – du bekommst eine Vorladung, entweder von einem Polizist bei der Entlassung oder später auf dem Postweg,;

* sofort eine Verhandlung durchführen – du wirst direkt vor Gericht gestellt..

WICHTIG: wenn du einem Richter vorgeführt wirst (sei es ein Untersuchungsrichter oder gleich deine Verhandlung) akzeptiere juristischen Beistand durch einen Anwalt. Du kannst einen Anwalt wählen oder dir einen zuteilen lassen. Im letzteren Fall vergewissere dich, dass er/sie tatsächlich ein Anwalt des Legal Teams ist..

Du kannst dich einer sofortigen Verhandlung verweigern. Es ist grundsätzlich vorzuziehen,deine Verteidigung mit einem Anwalt vorzubereiten, auch wenn das bedeutet, dass du länger in Präventivhaft sitzt. Rede mit deinem Anwalt darüber.

Falls du wenig Einkommen hast, hast du das Recht auf freien juristischen Beistand.

FÜR NICHT-EUROPÄER:

Du könntest einem Abschiebehaftbefehl oder -androhung und einer administrativen Haft von 48 Stunden unterworfen werden. Du kannst beide Entscheidungen anfechten, während dieser Zeit wirst du aber im Polizeigewahrsam bleiben.

Du hast das Recht, medizinische Hilfe, einen Anwalt und einen Übersetzer zu verlangen, sowie in Kontakt mit deiner Botschaft/deinem Konsulat zu treten und eine Person deiner Wahl zu kontaktieren. Bitte diese Person, dem Legal Team Bescheid zu geben oder ruf selbst an..

Administrative Haft kann durch einen Richter auf bis zu 15 Tage verlängert werden und kann einmal wiederholt werden. Du hast das Recht gegen diese Verlängerung Berufung einzulegen.

Verlange so schnell wie möglich eine Person von CIMADE zu sprechen (eine französische NGO, die sich um entwurzelte Menschen kümmert, speziell um Immigrant/innen ohne Papiere in Frankreich). Diese NGO kann dir speziell Empfehlungen zur Anfechtung der Entscheidungen zu Abschiebung oder Administrativhaft geben..

Wie im Polizeigewahrsam, so musst du auch in der Administrativhaft gut behandelt werden. Toleriere keine Gewalt, weder physisch, noch verbal.

FÜR DEN FALL DER POLIZEIGEWALT:

Denk daran, Bilder deiner Verletzungen usw. zu machen. Bewahre deine blutverschmierten Kleidungsstücke falls es solche geben sollte;

Beim Arzt: (Wenn es in der Notaufnahme ist, sage nichts über die Fakten!)

* Versichere dich, dass ein detaillierter medizinischer Bericht erstellt wird. Stelle sicher, dass er eine Beschreibung all deiner Verletzungen und Beschwerden enthält.

* Frage immer nach einer Krankschreibung – auch wenn du arbeitslos bist!

* Wenn du einen Arzt während des Polizeigewahrsams konsultierst, stelle sicher, dass er oder sie deine Verletzungen bezeugt und aufschreibt. Solltest du bei der Untersuchung keine Verletzungen haben, lass dir die Abwesenheit von Verletzungen auch konstatieren. Das kann später als Beweis für erlittene Polizeigewalt während der Gewahrsamnahme dienen..

Du kannst gegen Polizeigewalt klagen und es wird auch geraten, das zu tun.

Kontaktiere eine Anti-Repressionsgruppe die gegen Polizeigewalt, Profiling und Datensammelwut arbeitet..

FÜR WEITERE DETAILS UND INFOS ZU ALL DEN OBEN GENANNTEN PUNKTEN, ZU POLIZEIGEWALT USW. LEST DEN LEGAL GUIDE, DER SICH AN DEN INFOPOINTS UND DER WEBSEITE DES LEGAL TEAMS FINDET.

legalteam-strasbourg@effraie.org

Kopiervorlagen
deutsch: legalteam_de.pdf (91.09 KB) - englisch: legalteam_en.pdf (89.25 KB)
auf englisch, incl. Charta des legalteams: legalcheatsheet.pdf (427.52 KB)

Unter dem Titel Mögliche juristische Konsequenzen unserer Aktion hat NATO-ZU eine Zusammenstellung wichtiger Infos zu polizeilich/ juristischen Fragen im Zusammenhang mit den Blockaden erstellt.


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