Wie starb Andrea Wolf?
Die türkische Justiz hat die Todesumstände einer deutschen Internationalistin in den kurdischen Bergen vor zwölf Jahren vertuscht. Das ist der Tenor eines jetzt veröffentlichten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg zum Fall der Münchnerin Andrea Wolf, die im Alter von 33 Jahren als Kämpferin der Frauenguerilla der Arbeiterpartei Kurdistans PKK ermordet wurde. Andrea Wolf, die aus der autonomen Frauenbewegung kam, hatte sich in den 90er Jahren der kurdischen Befreiungsbewegung angeschlossen.
Ronahi (Licht) – so ihr Parteiname – sei am 23. Oktober 1998 nach einem Gefecht in der Provinz Van zusammen mit weiteren Genossinnen den Soldaten lebend in die Hände gefallen, gefoltert und erschossen worden. So hatten überlebende Guerillakämpferinnen berichtet. Freunde und Genossen von Andrea Wolf, die eine internationale unabhängige Untersuchungskommission (IUK) gebildet hatten, versuchten seitdem gemeinsam mit ihrer Mutter, Liselotte Wolf, das Kriegsverbrechen aufzuklären. Die IUK beauftragte die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin, befragte Zeugen der Mordtat und machte den Ort des Grabes ausfindig. Doch 2002 schlug das Schwurgericht im türkischen Ercis das Verfahren endgültig nieder und auch die deutsche Justiz stellte 2005 ein Ermittlungsverfahren ein.
Nach sieben Jahren verurteilte nun der EGMR in einer Entscheidung vom 8. Juni 2010 die Türkei wegen eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. So hätten die türkischen Behörden »keine adäquate und effektive Untersuchung in Bezug auf das Schicksal der Tochter der Klägerin geführt«, gab das Gericht Liselotte Wolf recht und forderte die Zahlung einer »angemessenen Genugtuung für die seelischen Leiden«. Die türkische Staatsanwaltschaft habe weder versucht, die am Gefecht beteiligten Soldaten ausfindig zu machen und zu verhören, noch sei ein ernsthafter Versuch unternommen worden, das Grab von Andrea Wolf zu suchen. »Es scheint, als ob die Staatsanwaltschaft nur diejenigen Elemente der Aussagen von E.Y. berücksichtigt hätte, die für eine Einstellung des Verfahrens sprachen«, heißt es zum Umgang mit einer Zeugenaussage.
Auch die von der IUK erbrachten Beweise seien mißachtet worden, würdigt das Gericht ausdrücklich die Arbeit der Menschenrechtsaktivisten. Da zwar die Schlußfolgerung der IUK, daß Andrea Wolf erst nach ihrer Gefangennahme getötet wurde, »auf legitime Verdachtsmomente gestützt, aber nicht durch Beweise untermauert« sei, verurteilte der Gerichtshof die Türkei nicht auch wegen Folter und Tötung der Guerillakämpferin. »Unser Ziel ist es, daß sich die Türkei die Tötung von Andrea Wolf durch staatliche Organe zurechnen lassen muß«, erklärt Liselotte Wolfs Prozeßbevollmächtigter, Jörg Arnold, gegenüber jW. Erforderlich seien für eine Wiederaufnahme des Verfahrens in der Türkei juristische und politische Anstrengungen durch Deutschland.
[ HOCH ] -
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